• trainer_rudi
Insbesondere kleine Sportvereine sind auf ehrenamtliche Helferinnen und Helfer angewiesen. Das ist sicherlich keine neue Erkenntnis und gilt im Tischtennis ebenso wie in allen anderen Sportarten. Dennoch zeigt die Erfahrung, dass sich Freiwillige oft einem bemerkenswert kritischen Klima ausgesetzt sehen. Und dann wundert man sich über fehlende Unterstützung im Vorstand, der Jugendarbeit und anderen Bereichen des Klubs. Eine paradoxe Situation. Insofern steht dieser kleine Essay unter dem Motto „Ist das Ehrenamt oder kann das weg“?

Gleich zu Beginn eine kleine Begriffsklärung: Wenn ich hier von Ehrenamt spreche, dann sind damit alle freiwilligen und regelmäßigen Tätigkeiten innerhalb eines Klubs gemeint, die jemand für andere ausübt. Es geht also nicht nur um gewählte Amtsträgerinnen und Amtsträger. Auch Mannschaftsführerinnen und Mannschaftsführer, Jugendtrainerinnen und Jugendtrainer, Organisatorinnen und Organisatoren von Vereinsfesten und und und zählen dazu. Hintergrund dieser Definition ist, dass ich mir einmal von einem Mannschaftkameraden habe sagen lassen müssen, dass mein Kapitänsamt ja kein Ehrenamt im eigentlichen Sinne sei. Stimmt. Doch wenn man es so formuliert, klingt es, als ob es automatisch weniger wert sei. Dazu muss man wissen, dass wir beide damals in einem Team spielten, in dem eine gewisse Allergie gegen das Kapitänsamt präsent war. Einzig ich war immun dagegen. Insofern erschien mir diese Aussage dann doch ein wenig ignorant und undankbar. Also wie gesagt soll es hier um einen weiten Begriff des Ehrenamts gehen, einfach um die längere Definition nicht immer und immer wieder ausbreiten zu müssen.  Warum engagieren sich Menschen freiwillig in einem Tischtennisverein? Diese Frage kann hier leider nicht erschöpfend beantwortet werden, denn dazu wäre sicherlich eine aufwändige wissenschaftliche Studie nötig, die unter anderem auch die mannigfaltigen strukturellen Rahmenbedingungen wie zum Beispiel Vereinsgröße, Trainingsbedingungen, Hallenkapazitäten, Qualität der Spielerinnen und Spieler, vorhandenes Nachwuchspotenzial, Weiterbildungsangebote etc. berücksichtigt. Vielmehr möchte ich zumindest einige aus der Beobachtung abgeleitete Vermutungen sowie damit verbundene Fallstricke formulieren, die sich auf die Motive und die Motivation der Ehrenamtlichen beziehen. Wie diese eventuell umgangen werden können, wird dann am Ende der Ausführungen behandelt.

These 1 zum freiwilligen Vereinsengagement: Menschen werden im Klub tätig, weil sie sich dazu verpflichtet fühlen.

Irgend jemand muss den Job ja machen, sonst geht es nicht weiter. Diese Selbstverpflichtung kann schnell von anderen (z. B. den nicht engagierten Mitgliedern oder dem Vorstand) instrumentalisiert werden, indem diese der Helferin bzw. dem Helfer das Gefühl geben, unersetzbar zu sein. Das klingt zunächst einmal sehr schön und fast schon respektvoll. Im Grunde wollen sie jedoch oft die Arbeit nur nicht selbst machen müssen (gilt für alle nicht Engagierten) bzw. jemand suchen, der den Freiwilligen nach 20 Jahren endlich ablöst (gilt für den Vorstand). Es fallen dann Aussagen wie „Du machst das ganz toll“, „Niemand kann das so gut wie Du“ oder „Wenn wir Dich nicht hätten“. Richtig ehrlich gemeint sind solche Formulierungen eher selten, ihr Wahrheitsgehalt pendelt sich zumeist im niedrigen zweistelligen Bereich ein. Das wäre ja auch alles gar nicht mal so schlimm, sondern letztlich nur menschlich (genauer gesagt: bequem). Problematisch wird es erst, wenn Personen, die selber so etwas noch nie gemacht haben und es auch nie im Leben machen würden, ungerechtfertigte Kritik an der Arbeit des Ehrenamtlichen äußern. Hier zeigt sich dann eine zutiefst heuchlerische Doppelmoral: Man möchte einerseits den Job selbst nicht ausüben und andererseits nicht nur von der Arbeit anderer profitieren, sondern darüber hinaus auch noch kräftig meckern. Unqualifizierte Kritik ist also ein Stein, der Ehrenamtlichen gerne in den Weg gelegt wird.

These 2 zum freiwilligen Vereinsengagement: Menschen werden im Klub tätig, weil sie sich selbst verwirklichen wollen.

  • ettlingen_86
Da gibt es den ebenso talentierten wie passionierten Hobbyfotografen, der Spielerinnen und Spieler professionell in Aktion einfängt und die perfekt bearbeiteten Bilder dem Verein kostenfrei zur Verfügung stellt. Oder den umtriebigen Jugendtrainer, der unzählige Stunden mit dem Nachwuchs in der Sporthalle verbringt, sonntags bei den Ranglisten aktiv ist und Vereinsmeisterschaften, Ausfahrten etc. organisiert. Oder die engagierte Mutter, die nicht nur ihre Töchter zu den Turnieren fährt sondern auch gleich noch drei weitere Spielerinnen mitnimmt. Oder den emsigen Pressewart, der kaum eine Gelegenheit auslässt, über das Vereinsleben zu berichten. Es gibt so viele Beispiele für Menschen, denen es einfach Spaß und Freude macht, ihr Talent für andere einzusetzen und sich weiter zu entwickeln. Anfangs staunen auch noch alle über das positive Wirken der Freiwilligen. Doch dann geschehen in der Regel zwei Dinge. Zum einen entwickelt sich ein gewisses Unbehagen gegenüber dem Umfang sowie der Art und Weise der Tätigkeit. Sinngemäß heißt es dann zum Beispiel:

„Also seitdem der neue Jugendtrainer da ist, haben wir viel mehr Mädchen und Jungs im Training. Das ist einerseits schön und gut, andererseits machen die Kids unglaublich viel Arbeit. Ich soll doch jetzt tatsächlich dreimal in der Saison betreuen. Das hatte ich mir anders vorgestellt“

„Die Berichte dieses Schreiberlings sind mir viel zu detailliert. Da stehen Sachen drin, die einfach nicht in die Öffentlichkeit gehören. Ein Pressewart im Verein ist immerhin so etwas wie ein Pressesprecher im Unternehmen. Er sollte den Klub in einem durchgehend positiven Licht dastehen lassen“ oder

„Meine Bilder sind ja schon sechs Monate alt. Die Frisur ist gar nicht mehr aktuell. Unser Papparazzo möge doch bitte mal wieder zum Fotoshooting vorbeikommen“.

Im Grunde genommen ist es eine gewollte Bevormundung des Ehrenamtlichen, der die Dinge gefälligst genauso tun soll, wie man selber es will. Und mit „man“ ist prinzipiell jeder Wichtigtuer im Klub gemeint. Ähnlichkeiten zur unqualifizierten Kritik aus These 1 sind hier unverkennbar. Zum anderen wird das Engagement ab einem bestimmten Punkt als selbstverständlich wahrgenommen. Das ist zwar wieder einmal irgendwie menschlich, jedoch falsch, denn genau selbstverständlich ist es eben nicht. Bevormundung und Ignoranz sind demnach zusätzliche Hürden für die Ausübung von Tätigkeiten im Sinne des Klubkollektivs.

These 3 zum freiwilligen Vereinsengagement: Menschen werden im Klub tätig, weil sie Eigeninteressen verfolgen.

Wie jetzt, Eigeninteressen verfolgen? Ist es nicht das Wesen des Ehrenamtes, sich für andere Menschen zu engagieren? Also Altruismus statt Egoismus? Im Prinzip schon. Nur sollte man nicht ganz so naiv sein. Da gibt es den selbst Tischtennis spielenden Vater, der nur solange Jugendtrainer ist, bis seine Sprösslinge zu den Herren kommen. Oder die Vorsitzende, die ihre politische Karriere mit einem wichtigen Ehrenamt befördern möchte. Oder den Mannschaftsführer, der über alles die Kontrolle haben will, nur um den Terminplan des Teams nach seinen eigenen privaten Wünschen gestalten zu können. Letztlich sind natürlich alle diese Motive nie zweifelsfrei nachzuweisen, denn wer weiß schon, was in den Köpfen der Menschen vorgeht (und wer will das schon wissen)? Die zutiefst philosophische Diskussion um das Verhältnis von Eigennutz und Gemeinwohl soll an dieser Stelle nicht geführt werden, da sie den Rahmen sprengen würde. Vielmehr bleibt lediglich festzuhalten, dass auch Egoismus durchaus ein Motiv für ein Ehrenamt sein kann. Zu hohe Ansprüche an die moralische Integrität und Opferbereitschaft der Helferinnen und Helfer zu stellen, erweist sich demnach als kontraproduktiv.

These 4 zum freiwilligen Vereinsengagement: Menschen werden im Klub tätig, weil sie Zeit dafür haben.

Dies klingt zunächst ebenso verwirrend wie These 3. Immerhin kann man seine freie Zeit für alle möglichen Aktivitäten verbrauchen. Dennoch musste ich mir so etwas bereits selbst anhören. Die Aussage lautete ungefähr wie folgt: Kinderlose Singles haben keine familiären Verpflichtungen, weshalb es für sie überhaupt kein Problem ist, sich regelmäßig im Verein zu engagieren, womit auch gleichzeitig die Tätigkeit weniger wert ist. Schauen wir uns diese Argumentation doch einmal etwas genauer an: Ja, kinderlose Singles haben mehr Freizeit als verheiratete Familienväter. Und ja, diese können sie natürlich in die Vereinsarbeit investieren. Dadurch ist die Tätigkeit aber nicht automatisch weniger wert. Die alternative Argumentation lautet hingegen: Meine freie Zeit gehört mir. Zu einer freiwilligen Tätigkeit im Klub kann ich mich nur selbst verpflichten (siehe These 1). Ich kann mich also freiwillig engagieren, muss es aber nicht, auch nicht als kinderloser Single. Ich könnte meine Zeit genauso gut mit hedonistischen Aktivitäten wie zum Beispiel dem Genuss von Unterhaltungsangeboten jeglicher Art (Theater, Kino, Disco, Fernsehen etc.), teils verbunden mit exzessivem Alkohol- und Tabakkonsum, verbringen (siehe Eigennutz in These 3). Wenn ich mich dann für das Ehrenamt entscheide, leiste ich einen Beitrag zum Erhalt der Gemeinschaft und genau darin liegt der Wert der Tätigkeit, der nicht wegzudiskutieren ist. Freie Zeit ist eine Ressource, die für alle Menschen gleichermaßen wertvoll ist. Wer sie freiwillig in den Verein investiert, verdient Anerkennung. Mangelnde Wertschätzung kann demnach ein weiteres Hindernis für ehrenamtliches Engagement sein.

Zusammenfassend gibt es nach den bisherigen Ausführungen somit die folgenden Fallstricke und Stolpersteine für freiwilliges Engagement im Sportverein:

  • Unqualifizierte Kritik an der Arbeit der Ehrenamtlichen,
  • Bevormundung der freiwilligen Helferinnen und Helfer,
  • Ignoranz gegenüber der außergewöhnlichen Qualität des Ehrenamtes,
  • zu hohe Ansprüche an die moralische Integrität und Opferbereitschaft der freiwilligen Helferinnen und Helfer sowie
  • mangelnde Wertschätzung der Arbeit der Ehrenamtlichen.
  • ettlingen_97
Was lernen wir nun daraus? Zunächst einmal erscheint es elementar, eine ganz einfache Regel zu befolgen: Wenn jemand eine Tätigkeit im Verein freiwillig, unentgeltlich und gewissenhaft ausübt und das Ergebnis zufriedenstellend ist, dann lasst sie beziehungsweise ihn einfach machen. Mischt euch nicht ein. Meckert nicht. Meint nicht, es besser zu können (denn ihr macht es ja schließlich nicht). Die Maßstäbe für das „zufriedenstellende Ergebnis“ sind im Übrigen nicht allzu hoch anzusetzen, da es sich in der Regel um eine Leistung für null Euro handelt. Und wieviel kann man schon für null Euro verlangen? Das wird gerne vergessen, wenn es um ehrenamtliches Engagement geht. Es ist wirklich bemerkenswert, was da immer wieder für gehobene Qualitätsansprüche formuliert werden. Selbstverständlich ist ein Ehrenamt kein Freibrief für grenzenlose Stümperei. Wenn jemand Mist baut, muss er es besser machen, auch für null Euro, klar. Dann darf er selbstredend auch kritisiert werden. Nach eigener Erfahrung sind solche Vorfälle aber doch recht selten, da die Beteiligten in der Regel mit Herzblut und Leidenschaft bei der Sache sind.

Des Weiteren ist es für Freiwillige schön, von Zeit zu Zeit ein ehrlich gemeintes Wort des Dankes zu hören. Dies unterstreicht nämlich die Außergewöhnlichkeit der Tätigkeit und zeigt auch die Wertschätzung des Dienstes an der Gemeinschaft. Ebenfalls hilfreich ist kommuniziertes Vertrauen gegenüber dem Ehrenamtlichen. Der Satz „Ich vertraue Dir, denn Du weißt, was Du tust“ kann Wunder bewirken. Man weiß, dass derjenige seinen Job gut macht und deshalb nicht jede seiner Handlungen skeptisch beäugt werden muss. Und letztlich sind auch freiwillige Helferinnen und Helfer nur Menschen. Sie machen Fehler und manchmal schauen sie nach sich selbst. Sie sind keine Engel und auch keine Heiligen. Sie wollen aber etwas für andere tun und das sollte man ihnen am Ende des Tages hoch anrechnen.